Unerwartet

Es war einer dieser Momente, in denen ich morgens viel zu spät für einen ambitionierten Fotografen aus den Federn kam. Den Tag zuvor prüfte ich noch die Wetterprognose und dachte bei mir, vielleicht kann ich morgen länger schlafen, denn die letzen Tage war ich schon sehr früh vor Sonnenaufgang unterwegs.

 

Ich drehte mich in meinem umgebauten Kombi um und schaute noch eine Weile in die Ferne der sternenklaren Nacht, während ich immer weiter mit meinen Gedanken davonschweifte und allmählich das Land der Träume erreichte.

Ich liebe es, auf diese Art und Weise unterwegs zu sein. Nicht immer wissend was als nächstes geschieht, ist ein Hauch von Abenteuer, der mich wieder und wieder auf den Weg bringt und manchmal unkomfortable Situationen auf Reisen entspannter annehmen lässt. Denn im eigenen Bett ist es auch ganz schön!

 

Morgens dann mit einem halben Auge nach draußen schielend, entdeckte ich überall Nebel. Mich durchzuckte sofort dieses "Verdammt-Gefühl", welches man bekommt, wenn man denkt, eine Gelegenheit verpasst zu haben.

Ich atmete eine Banane und einen Müsli-Riegel ein und versuchte so schnell wie möglich, von meinem Standort an den Strand SPO zu gelangen.

Fotografisch mit Nebel zu arbeiten, ist etwas Spannendes für mich. Allerdings war es leider nicht vorauszusehen und brachte den Kreislauf direkt in Wallung. Da ich immer gut organisiert bin, was mein Equipment angeht, konnte ich, angekommen am Parkplatz des Strandes, direkt in die Szenerie starten.

 

Der Nebel war sehr üppig und dicht  und brachte sehr interessante Impressionen hervor. So wanderte ich dann, den Schrecken des Aufwachens langsam überwindend, Stunden den Strand auf und ab und schaute dem sich immer wieder lichtendenden und wiederkehrenden Nebel zu und versuchte, hier und da etwas zu gestalten. Durch die Bewegung des Nebels entsteht Kreativität - gemischt mit Ideen, die man irgendwann mal vor dem geistigen Auge gesehen hat.

 

Gelegentlich dachte ich dann zwischendurch, dass ich gerne den Sonnenaufgang und die Dämmerungsphase mitgenommen hätte, denn in mir schlummerten auch noch weitere Ideen. Allerdings musste ich diese Gedanken nun aber loslassen, da sich darüber zu ärgern nichts brachte und mich nur von dem Zauber ablenkte, der sich vor mir ereignete.

Ich entschied mich, daraus gelernt zu haben und bewegte mich weiter an diesem schönen Strand mit seinen Pfahlbauten und suchte nach weiteren Impressionen. 

 

Irgendwann, nach stundenlangem Hin- und Herwandern an solch großem Strand, packt einen auch mal die Müdigkeit und es wurde Zeit für eine Pause. Die machte ich dann indem ich auf dem sehr langen Laufsteg der Strandbar ein wenig entlangschlenderte, um Körper und Geist zu entspannen. Ich hatte alle meine Kameras und den kleinen Rucksack abgelegt, um das Gewicht vom Equipment zwischendurch mal los zu sein. 

Der eine oder andere fotografisch Tätige unter euch wird sicher wissen was ich meine. Equipment wird nicht leichter mit der Zeit.  

 

Als ich dann ein paar Meter weiter zur Ruhe kam, freudig in die gesamte Szenerie des Strandes schaute, spürte ich eine tiefe Dankbarkeit, Teil dieses schönen Momentes zu sein, den mir die Natur an diesem Vormittag schenkte.   

Versunken in meine Gedanken und die Impressionen um mich herum genießend, bemerkte ich plötzlich diesen joggenden Läufer am Strandteil hinter mir. Es machte sofort Klick bei mir, als ich merkte, worauf das hinauslaufen könne. 

Allerdings stellte ich dann mit Schrecken fest, der mich von Kopf bis Fuß durchfuhr, dass meine Kameras viel zu weit weglagen, als dass ich sie rechtzeitig hätte erreichen können. 

 

Also blieb mir nur eine Option. Ich nahm das Smartphone und versuchte mein Glück. 

 

Nachdem der Läufer unter dem Steg durch war und sich durch das Bild seinen Weg bahnte, um sich dann irgendwann im Nebel am Horizont aufzulösen, war ich heilfroh, dass ich ein Handy bei mir hatte. 

 

Gott sei Dank, dachte ich … 

 

Als ich dann später am Laptop saß, um zu schauen, was daraus entstanden ist, ließ ich mir die Geschichte des Erlebten durch den Kopf gehen und wanderte in meinen Gedanken herum, im dem Versuch,  zu verstehen was mir diese Erfahrung mitteilen kann. 

Eines erschien mir dabei sehr klar, Fotografie ist mehr als nur auf einen Auslöser zu drücken und sich hinterher freuen zu können, dass man etwas im Kasten hat. 

Es ist ein Prozess des Seins - für etwas Unerwartetes offen zu sein, das man vorher nicht erahnte. 

Das ist, was Fotografie unter anderem für mich bedeutet, sich hinzugeben und das Ergebnis nicht immer voraussehen zu können und Teil eines kreativen Momentes zu sein.

 

Zwischen Licht und Schatten etwas zu entdecken, was vielleicht sonst ungesehen bliebe. Denn es ist ein einzigartiger Moment, der so auf die Art und Weise nie wiederkehren wird. 

Wann kommen schon mal alle Elemente, die sich so in einem Bild  darstellen, so in einem Moment zusammen. Vor allem mit dieser erstaunlichen Form des ablaufenden Wassers  - ein Verlauf, der mit dem Läufer, einem perfekten Timing und der Spiegelung eins wird. 

 

Vielleicht ist das, wenn man so will, die Moral der Geschichte oder der Kern dieser Erfahrung, dass etwas Starkes entstehen kann, wenn wir uns wirklich auf den Moment einlassen. Fernab von unseren erlernten Skills scheint es etwas zu geben, das wir nie wirklich planen können. 

 

Es entsteht einfach in dem Moment - wenn wir zum Teil dieses Momentes werden. 

 

 

 

Martin D. Winter  

 

 

Die wunderbare Erfahrung, die Martin D. Winter mit uns  teilt, ist nicht das einzige das was es zu entdecken gibt. Schauen sie auf seine Seiten im Web, wo sie ihn als Musiker und Fotograf mit seiner Arbeit und seinen Leidenschaftlichen Engagement für Kunst, Kultur, Musik und soziales entdecken können.

 

Der Musiker:   www.martindwinter.com

 

Der Fotograf:  www.mdwphotoprojects.com